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Third-Party Funding

 

Aus verschiedenen CA IV - geförderten Veranstaltungen konnten zwei Anträge für weitere Drittmittelprojekte entstehen. Zum einen das DFG-Projekt „Werkstatt Interdisziplinäre Anthropologie", aus dem wiederum ein DFG-Graduiertenkolleg-Antrag „Interdisziplinäre Anthropologie der Diversifizierung“ entstanden ist, der kurz vor der Abgabe ist. Zum anderen konnte eine Anschubfinanzierung für eine DFG-Forschergruppe "Armut im Kulturvergleich" realisiert werden.

Anschubfinanzierung für ein DFG-Graduiertenkolleg: „Interdisziplinäre Anthropologie der Diversifizierung“

„Was ist der Mensch?“ – Diese Frage ist nach Immanuel Kant die ultimative philosophische Frage. Doch ist das ihr inhärentes Versprechen einer umfassenden Orientierung des Menschen – über das, was er wissen kann, tun soll und hoffen darf – im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts höchst fraglich geworden. Zum einen gibt es eine Vervielfältigung der Perspektiven auf die Frage nach „dem“ Menschen, die sich unter anderem in einer steigenden Anzahl von Disziplinen, Forschungsansätzen und Methodiken wiederspiegelt. Zum anderen befördert die Erkenntnis einer offenen Menschheitsgeschichte mit zum Teil widerstreitenden Entwicklungslinien, Divergenzen und Konvergenzen die Abkehr von allgemeingültigen Antworten darauf, was der Mensch ist und wie er sich in seinem Selbstverständnis von anderen Entitäten (Tieren, der Natur, der Technik, etc.) abgrenzt. Sowohl der Mensch als auch das wissenschaftliche Denken über ihn sind somit in einem stetigen Prozess der Diversifizierung begriffen.

Welche Anforderungen müsste also eine Forschungsstrategie verfolgen, die diesen Herausforderungen angemessen und innovativ begegnen will? Wie könnte eine Anthropologie des 21. Jahrhunderts aussehen, die weder in hergebrachte Reduktionismen verfällt noch das Projekt einer Wissenschaft vom Menschen aufgibt? Sie müsste mindestens zwei Strategien verfolgen, nämlich einerseits die Ergebnisse disziplinärer Forschung in ihrer Eigenständigkeit miteinander verknüpfen, gleichzeitig es aber andererseits leisten, die jeweiligen Expertisen und Methoden in ein Gespräch zu bringen, das auch einen gemeinsamen Orientierungsrahmen zum Gegenstand hat. Sowohl der Vielfalt der menschlichen Lebenswelten als auch der wissenschaftlichen Spezialisierungen einer interdisziplinären Anthropologie gerecht zu werden, ist daher das Hauptanliegen dieses Graduiertenkollegs.

Genau einen solchen Weg hat die a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities Cologne seit mehreren Jahren eingeschlagen, um so dem „Anthropologischen Denken im Wandel“ auf die Spur zu kommen. Das Resultat dieser Überlegungen – deren Geschichte über zahlreiche Tagungen, Workshops, Kooperationen, Lehrveranstaltungen und Summer Schools führte und auch zukünftig führen wird – ist das Programm einer neuen Interdisziplinären Anthropologie. Ihr Anspruch ist es, durch eine genuin interdisziplinäre Ausrichtung der Anthropologie der Fülle und Vielfalt der menschlichen Wirklichkeit einerseits sowie ihrer wissenschaftlichen Verstehensversuche andererseits gerecht zu werden. Dieses Konzept dient als Fundament, das im Forschungsprogramm der Graduiertenschule durch den Schwerpunkt Diversifizierung methodisch erweitert und zugleich inhaltlich konsequent spezifiziert werden soll.

Derart zielt das Graduiertenkolleg darauf, zwei Desiderate in der aktuellen Wissenschaftslandschaft erfüllen: Auf der einen ein strukturelles, da zwar ähnlich ausgerichtete Master-Studienstudiengänge in Deutschland bestehen, es jedoch an Promotionsmöglichkeiten fehlt (so gibt es in Freiburg den Master-Studiengang „Interdisziplinäre Anthropologie“ und in Köln „Gender & Queer Studies“); auf der anderen besteht ein inhaltliches Desiderat, da zwar zahlreiche Forschungs- und Editionsprojekte bestehen, die sich einer Interdisziplinären Anthropologie verpflichtet wissen, deren inhärente Programmatik jedoch bislang eher inselartig erschließen (zu nennen sind hier das „Humanprojekt. Interdisziplinäre Anthropologie“ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften oder das „Jahrbuch für Interdisziplinäre Anthropologie“). Das bedeutet: Es gibt wichtige Vorarbeiten in Forschung und Lehre; gleichzeitig besteht ein eindeutiger Mangel im wissenschaftlichen Qualifizierungsangebot. Genau dies soll das GRK ändern, indem es die Idee der Interdisziplinären Anthropologie hinsichtlich verschiedener Modi von Diversifizierung konkretisiert, wie Geschlecht, Herkunft, Kultur, Bildung, Glaube, Lebensalter, Spezies oder Umwelt.

Blickt man von hier zurück in die Geschichte der Universität zu Köln, scheint dies der ideale Ort für dieses besondere GRK zu sein: So lässt sich Köln durchaus als Geburtsort der modernen Philosophischen Anthropologie ansehen, da Max Scheler und Helmuth Plessner (sowie Nicolai Hartmann) in den 1920er Jahren hier lehrten, forschten und das Denken über den Menschen nachhaltig prägten (die sogenannte „Kölner Konstellation“, welche genuin interdisziplinär ausgerichtet war). Seitdem haben sich zahlreiche Kooperationen, Forschungsfelder und Institutionen mit einem anthropologischen Fokus an der Universität zu Köln ausgebildet, in welchen die Forscherinnen und Forscher des GRK fachübergreifend tätig sind. Es ist also zu erwarten, dass auf der Basis von strukturellen und inhaltlichen Kooperationen das GRK ein innovatives Lehr- und Forschungsangebot mit nationaler und internationaler Strahlkraft entstehen wird. Durch die Einbettung des GRK in die a.r.t.e.s. Graduate School werden zudem exzellente Rahmenbedingungen für eine derartige interfakultative und hochschulübergreifende Doktorandenausbildung geschaffen.

 

Anschubfinanzierung für eine DFG-Forschergruppe: "Armut im Kulturvergleich"

Prof. Dr. Richard Bußmann, Tobias Gutmann

Armut ist eines der drängenden Probleme in vielen Gesellschaften weltweit, wird in der Forschung aber schwerpunktmäßig mit Wohlstandsmodellen der westlichen Gesellschaften untersucht. Die Berücksichtigung lokaler Perspektiven zeigt, dass offizielle Armutsgrenzen zwar politisch relevant sind, etwa bei der Verteilung von staatlicher Unterstützung, aber die sozialen und kulturell divergierenden Mechanismen von Armut, Ungleichheit und Ausgrenzung nicht erfassen. Auch in der chronologischen Tiefe bleibt unklar, wann Armut entstand, ob als Folge des Kapitalismus, in den Großreichen der Antike oder im Zuge der Herausbildung sozialer Komplexität am Beginn der sogenannten historischen Zeit. Die vom Graduiertenkolleg Archäologie vormoderner Wirtschaftsräume und der CA IV finanzierte Tagung Poverty in early civilizations: a comparative view am 17./18. November 2017 in Köln hat gezeigt, dass Armut und die kulturelle Verfasstheit nicht elitärer Gruppen gerade für die frühen komplexen Gesellschaften schlecht erforscht sind. Ziel des anvisierten Projekts ist es, kulturvergleichend und in der Zusammenarbeit von ethnologischer, historischer und archäologischer Forschung über die europäische Perspektive hinaus einen Rahmen für die Erklärung von Armut zu entwickeln.

Publikation: Bußmann, R., Helms, T. (eds) in preparation. Poverty and ineuquality in early civilizations: a comparative view. Studien zur Wirtschaftsarchäologie. Bonn. Habelt.