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Workshop

Fremd im eigenen Land?- Augustinus und die Antikenrezeption im modernen Maghreb

Bericht zur Tagung Fremd im eigenen Land? Augustinus und die Antikenrezeption im modernen Maghreb
 
Im Rahmen des DFG-Projekts Augustinus-Darstellungen in Nordafrika als Formen spätantiker und postkolonialer Wissensproduktion unter der Leitung von Prof. Dr. Anja Bettenworth (Klassische Philologie, Köln) und Prof. Dr. Claudia Gronemann (Romanistik, Heidelberg) fand mit finanzieller Unterstützung des Competence Area IV und des Global South Studies Center am 09. und 10.02.2017 eine interdisziplinäre Tagung mit dem Titel Fremd im eigenen Land? Augustinus und die Antikenrezeption im modernen Maghreb in den Räumlichkeiten des Internationalen Kollegs Morphomata statt. Ziel der Tagung war die Vorstellung eines neu angelaufenen DFG-Projekts zur Augustinus-Rezeption im Maghreb und der Aufbau eines interdisziplinären Netzwerks. 
 
Die Tagung war in drei thematische Sektionen unterteilt. Die Vorträge von Prof. Dr. Winrich Loehr (Kirchengeschichte, Heidelberg) und Prof. Dr. Peter Orth (Mittellatinistik, Köln) widmeten sich der Darstellung des Heiligen Augustinus in dessen Autobiographie, den Confessiones, und in den mittellateinischen Augustinusviten, beispielsweise der Legenda aurea des Jacobus de Voragine. Die Frage, ob die in diesen Texten zu beobachtenden Techniken der Identitätskonstruktion typisch christlich seien und wie vor diesem Hintergrund moderne, oft in einem muslimisch geprägten Umfeld entstandenen Augustinusviten betrachten seien, leitete zum zweiten thematischen Block über, der dem Selbst-und Fremdbild in muslimische Philosophie, Theologie und Historiographie gewidmet war. Prof. Dr. Klaus von Stosch (Theologie, Paderborn) verglich in seinem Vortrag den Mechanismus von Identitätskonstruktion in Islam und Christentum, während sich Prof. Dr. David Wirmer (Philosophie, Köln) der Frage zuwandte, inwiefern theologische Konzepte, seien es christliche oder muslimische, in der klassischen arabischen Theologie rezipiert und bewertet wurden. Den Abschluss dieser Einheit bildete der Beitrag von Prof. Dr. Daniel König (Geschichte, Heidelberg), der sich mit der Darstellung der römischen Provinz Africa und den Kenntnissen über Rom in der arabischislamischen Historiographie auseinandersetzte. Der erste Tag schloss mit der Lesung des französischsprachigen Schriftstellers Kebir Ammi, der Passagen aus seinen Werken Thagaste und Sur les Pas de Saint Augustin vortrug, in welchen er sich der Person des Heiligen Augustinus annäherte. Die Lesung wurde gefolgt von einer lebhaften Diskussion, in der gerade die Frage nach Fremdheit im eigenen Land, wie sie der Titel der Veranstaltung vorgegeben hatte, aufgegriffen wurde.
Der zweite Tag widmete sich die Frage, inwieweit die bisher betrachteten historischen Rezeptionsmechanismen auf die Situation im heutigen Maghreb übertragbar sind. Peter Konerding (Arabistik, Bamberg) führte in seinem Vortrag detailliert aus, wie in der modernen arabischsprachigen Literatur des Maghreb und des Maschrek auf die Antike zurückgegriffen wird. Die Frage, inwieweit die Antike außer in den literarisch gebildeten Kreisen auch im Alltagsbewusstsein des Maghreb verankert sei, beantwortete PD Dr. Stefan Altekamp (Archäologie, HU Berlin) in seinem Vortrag zur „Rolle der Antike im Selbstverständnis der MaghrebStaaten“ unter Verwendung zahlreicher Beispiele aus der populären Kultur und aus den Erfahrungen im Maghreb tätiger Archäologen.  Die Tagung war, obwohl sie auf die letzten beiden Tage der Vorlesungszeit fiel, gut besucht und förderte viele für das DFG-Projekt wichtige Impulse und Fragestellungen zutage, die nach den jeweiligen Vorträgen rege diskutiert wurden. Das so entstandene Netzwerk soll bei einem komplementären Workshop im Juli an der Universität Mannheim weiter gepflegt werden. Anhand des positiven Feedbacks, das wir sowohl von FachkollegInnen als auch von interessierten BesucherInnen aus anderen Fachgebieten erhalten haben, können wir auf eine rundum gelungene Veranstaltung zurückblicken. Besonders hervorzuheben ist auch, dass die Vielseitigkeit der während der Tagung erörterten Gegenstände auch BesucherInnen von anderen Universitäten zur Teilnahme bewegte.  Wir bedanken uns herzlichst bei dem Competence Area IV und dem Global South Studies Center und dem Internationalen Kolleg Morphomata für ihre Unterstützung, ohne die die Durchführung der Tagung nicht möglich gewesen wäre.

9.-10. Februar 2017
Internationales Kolleg Morphomata